Dilschad - Unser Schiri-Nachwuchs aus Syrien
Ich muss gestehen, so einfach kann man sich den Namen Dilschad Kenjou nicht merken, aber sicherlich wird er Vielen in Zukunft geläufiger werden, denn der 16-jährige Realschüler hat kürzlich seine Schiedsrichter-Lizenz erworben. Das klingt nun nicht ganz ungewöhnlich, denn immer mehr Jugendliche finden Spaß an der Aufgabe. Was Dilschad unterscheidet ist der Hintergrund! Er hat erst vor rund einem Jahr und sieben Monaten als Flüchtling aus Syrien den Weg nach Deutschland und anschließend auch zum DJK TuS Marathon gefunden. In einem Gespräch mit ihm habe ich mehr über seine Beweggründe für die Flucht nach Deutschland erfahren und mit welcher Leidenschaft er seinem Hobby, dem Fußball nachgeht.
Dilschad berichtet voller Stolz, dass er bereits in Syrien gerne Fußball gespielt und mit seinen Freunden eine Art "Syrische Meisterschaft" in seiner Altersklasse gewonnen hatte. Doch dann kam der Krieg. Zu diesem Zeitpunkt war Dilschad gerade erst 14 Jahre alt. Dann wurde sein Vater im Kampf gegen den sogenannten IS getötet. Damit wurde die Situation immer schlimmer. Trotz seines jungen Alters entschloss er sich zu fliehen. Er machte sich zunächst vollkommen alleine und nur mit dem Nötigsten auf den Weg. Das Ziel war Hannover, weil sein Onkel hier bereits seit vielen Jahren lebt. Wer nun glaubt, dass er die Strecke nur mithilfe von Auto, Bus oder Flugzeug bewältigt hat, der hat sich getäuscht. Größtenteils ging es täglich mindestens zwölf Stunden und alleine zu Fuß durch unbekannte Wälder und Berge - selbst im strömenden Regen und in eiskalten Nächten und ohne die Gewissheit, ob man auf dem richtigen Weg ist.
Seine Geschichte macht mich ziemlich nachdenklich. Ich habe selber Kinder in diesem Alter und der Gedanke, dass sie vollkommen allein auf sich gestellt durch fremde Länder auf Grund eines Krieges fliehen müssten, lässt mich eine Weile erstarren. Dieses bleibt Dilschad nicht verborgen und mit einem Augenzwinkern erzählt er mir den weiteren Verlauf seiner Flucht. In Süd-Osteuropa nutzte er die Möglichkeit ein Flugzeug zu besteigen. Ziel des Fluges war ein Land mit einer schwarz-gelb-roten Flagge. Aber: "Ohhh, nein! Ich bin in Brüssel", sagt er und fasst sich an den Kopf. Ein kleiner Zwischenstopp, der nicht eingeplant war. Aber die Art wie er davon berichtet, lässt einen - trotz der schwierigen Tatsachen - ein wenig schmunzeln.
Als er in Hannover ankam, war er endlich in Sicherheit und konnte endlich wieder zur Schule gehen. Die ersten Schritte fielen ihm schwer. In den Fächern Englisch und Sport konnte er jedoch von Beginn an sehr gut mitmachen. Die deutsche Sprache zu lernen bereitete ihm zwar Schwierigkeiten. Aber davon ließ er sich nicht beirren. Er wollte die deutsche Sprache unbedingt schnell verstehen und sprechen lernen. Und dieses ist ihm in der kurzen wirklich sehr gut gelungen. Er meldete sich beim DJK TuS Marathon im Jugendfußball an. Fußball, Musik und Theaterspielen sind die besonderen Leidenschaften von Dilschad. Er ist seit 2008 Fan der Deutschen Nationalmannschaft und hat bereits in einem Theaterstück "I made my neighbor an Stage" in Hannover mitgespielt.
Nun kommen wir auf seinen Schiedsrichter-Lehrgang zu sprechen. Ich frage ihn, wie und warum er sich dafür entschieden hat. Dilschad erzählt, dass er einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hat und dass er dieses von seinem Vater Aamer hat. Der Gerechtigkeitssinn und der Einsatz für andere haben seinen Vater das Leben gekostet, aber er stand für Überzeugungen und Ideale ein.
Dilschad hat sich schon längere Zeit mit dem Thema Schiedsrichter zu werden beschäftigt. Über einen Freund wurde ihm beim DJK TuS Marathon diese Möglichkeit gegeben, die er sofort ergriffen hat. Anfangs fiel es ihm sehr schwer, weil man sehr viele Fachbegriffe verwendet. Er hat jedoch fleißig am Wochenende und nach der Schulzeit geübt und nach Erklärungen für die jeweiligen Fachbegriffe recherchiert.
Jetzt hat er als einer der ersten jugendlichen Flüchtlinge den Schiedsrichterschein gemacht und darauf sind wir beim DJK TuS Marathon enorm stolz. Dilschad äußert auch seine Hoffnungen für die ersten Spiele. Er wünscht sich, dass die Spiele fair bleiben und ihm anfängliche Fehler verziehen werden. Er ist noch sehr jung und immer bemüht, für alle gerecht zu sein. Wenn ihm das mal nicht gelingt, dann ist er für sachliche Hilfestellungen sehr dankbar, weil er nur dadurch lernen kann. Ihm ist es wichtig, dass er und andere Spaß bei der Sache haben.
Auch für die Zukunft äußert er ein paar Wünsche. Er möchte zunächst einen guten Schulabschluss erreichen und dann eine Ausbildung beginnen. Gerne im Bereich als Krankenpfleger. Wenn er das alles erreicht hat, kann er sich sehr gut vorstellen Trainer eine Fußball-Mannschaft zu werden. Dafür wünschen wir ihm weiterhin viel Erfolg und Glück, denn er ist ein beeindruckender junger Mann, der enorm viel für sein Alter erlebt hat und es ist schön, wenn er auch anderen Jugendlichen als Vorbild dient und hier ganz eindeutig wird, dass Fußball uns alle verbindet.
Wir werden Dilschad weiterhin beim DJK TuS Marathon unterstützen, weil er ein Riesengewinn für uns alle ist.
Wenn zufällig einige Arbeitgeber diesen Bericht lesen, dann würden wir uns freuen, wenn ihr Dilschad eine Möglichkeit für seine Berufsausbildung anbieten könntet. In 1 1/2 Jahren ist er mit der Schule fertig und wäre definitiv für jedes Unternehmen eine Bereicherung.